Kreuzfahrt mit der MS European Vision im November 2002


Gesamter Inhalt: Deutschsprachige Reiseberichte

Von: Edith Graeser

Kreuzfahrt 2002

Samstag, 2. November: Die Busabfahrt ab Flughafen Stuttgart war pünktlich um 20.30 mit einem Pinguin-Bus. Die Passagiere, zu denen wir zustiegen, waren zum Teil seit 7 Uhr morgens ohne ausreichende Vesperpausen in dem sehr engen Bus unterwegs, und dementsprechend war die Stimmung gereizt. Die Fahrtroute sollte über Freiburg-Vierwaldstättersee gehen, obwohl nach uns keine Fahrgäste mehr zustiegen. Für uns wäre es keine Frage gewesen, über den Brenner zu fahren. Ein Fahrgast erklärte, die Busfahrer wollten Zeit schinden, andererseits hieß es, diese Strecke sei günstiger. Wenn ich im ADAC-Atlas die Entfernungen richtig gelesen und addiert habe, kommen hierbei 842 km heraus, nach anderer Berechnung sogar 950 km, über den Brenner nur 757 km. Beim Halt in Weil am Rhein gab es Stunk mit Mitfahrenden. Die Busfahrer reagierten auf die Klagen überraschend gelassen.

Sonntag, 3. November: In Bellinzona kommt um 2.30 die Lautsprecher-Durchsage: Wegen der Schläfer wird das Licht nur gedämpft angemacht. Dafür wurde die Musik während dieser "Raucher"-Pause ganz laut aufgedreht.

Gegen 1/2 9 Uhr erreichten wir Mestre. Dort standen bereits die Costa Atlantica und die European Vision; die Costa Atlantica etwas größer als die European Vision und nicht nur mit 1 1/2 Decks mit Balkonen, sondern mit deren 5 ausgestattet. Sie sei der Größe nach an 8. Stelle auf der Welt, wenn sie nicht inzwischen weiter nach hinten gerutscht ist. Während des Wartens hatten wir genügend Zeit, sie zu bewundern. Am meisten beeindruckte uns die Rutschbahn auf einem der obersten Decks, die wir ohnehin nie benützen würden. Das dazu gehörige Schwimmbad konnten wir nicht sehen. Sie ist ungefähr 40 m länger und 2 - 3 Decks höher als die European Vision.

Um 12 Uhr wurden wir eingeschifft. Nachdem alle Koffer an Deck und vor die Kabinen gebracht waren, kurz nach 16 Uhr, legten wir ab. Das Vorbeifahren an Venedig bei diesigem Wetter ohne Fernsicht war zauberhaft. Diese Vorbeifahrt an der zerbrechlichen Schönheit wurde begleitet von einer kitschigen Lautsprechermusik, durch die eine gewisse Rührung aufkam. Ähnlich, wie wir die Paläste bewunderten, erregte auch die riesige European Vision die Aufmerksamkeit der Menschen in Venedigs Straßen und Plätzen. Dies zeigten die zahlreichen Blitzlichter an. Aus kleinen Schiffen und Booten wurde uns freundlich zugewinkt und wir winkten zurück. Nachdem wir den Canale Grande auf Backbord und die San Giorgio Maggiore auf Steuerbord passiert hatten, setzte die Dämmerung immer stärker ein. Am Ufer traten Lichterketten von einigen Orten hervor und davor zwei beleuchtete Plattformen. Unter der einen konnte ich ein kleines ankerndes Motorboot erkennen.

Montag, 4. November Dubrovnik. Wetter- oder strömungsbedingt ankerten wir nicht vor Dubrovnik, sondern legten im Hafen Gru? an. Dabei ging die Beförderung mit Bussen überraschend schnell vor sich. In Dubrovnik nahmen wir an einer Führung durch die Stadt teil. Die Reiseleiterin war vorausgestürmt. Nach Protest von Teilnehmern, die beinahe verloren gegangen waren, mäßigte sie sich. Während ich aber einen charmanten Sänger an einem Brunnen fotografierte und einen Teil seines Gesanges aufnahm, verlor ich die Gruppe einschließlich Jussi endgültig und ging dann halt alleine spazieren. Über die Reize und Schönheiten der Stadt ist schon viel geschrieben worden, und denen tat der Regen, der meistens fiel, keinen Abbruch. Dass Dubrovnik in enger Verbindung zu Venedig gestanden hatte, ist am Stil der Gebäude und deren Ausschmückung zu erkennen, und jeder Standpunkt in der Altstadt bietet einen anderen malerischen Blick.

Nach einer Weile traf ich Jussi wieder. Die Gruppe hatte sich inzwischen aufgelöst.

Mit dem Shuttle-Bus wieder bei der European Vision angekommen, versprach ich, um 1/2 1, um 13 Uhr in der Kabine zu sein, weil ich noch die im Hafen vor uns liegende "Seven Seas" fotografieren wollte. Auch diese, ungefähr in der Größe der European Vision, hat außen nur Balkone wie die Costa Atlantica. Als ich kurz vor 13 Uhr zur European Vision kam, war bereits begonnen worden, die Gangways abzubauen, und als eine der Letzten stieg ich über Deck 4 zu. Eine Minute nach 13 Uhr war ich in der Kabine.

Bei Dunkelheit erreichten wir das beleuchtete Bari, wo lediglich neue Passagiere zustiegen. Ich konnte aber die Stadt nicht lokalisieren. Eine große Costa hatte gerade den Hafen verlassen und wir mussten nicht allzu lange warten, bis auch die European Vision die Anker lichtete.

Dienstag, 5. November Korfu = Kérkyra: Nach 9 Uhr fuhren wir mit dem Shuttlebus (für 10 € pro Person!) nach Korfu bei Bilderbuchwetter. Diesmal hatten wir keinen Ausflug gebucht. Der Besuch der alten Festung oder Zitadelle bot sich an. Diese liegt nahe der Stadt auf einer Insel über hohen Mauern jenseits des Festungsgrabens, der an Bilder vom Golf von Korinth erinnert. Auf einer Terrasse unterhalb der Festung liegt ein Freilichttheater, dahinter wird eine Mauer durch kräftige Streben abgestützt. Gemächlich steigt der Weg an zur Festung. Schon von diesem Weg aus bieten sich sehr schöne Ausblicke auf die Stadt, die neue Festung und die umliegenden Inseln.

Auch die Stadt mit ihren verwinkelten Gassen mit vielen kleinen Geschäften und viel Betrieb ist sehr malerisch. Ich fragte einen Geschäftsmann, ob es nicht unangenehm sei, wenn zwei so große Schiffe wie die European Vision und die Costa Atlantica gleichzeitig hier ankerten. Aber nein, dies sei gut für's Geschäft, meinte er. Zwischen der alten Festung und der Altstadt mit der neuen Festung liegt ein riesiger parkähnlicher Platz. Er sei der größte und schönste Griechenlands. Auf dem vom Schiff aufgenommenen Foto ist links die alte und rechts die neue Festung zu sehen, im Vordergrund der Hafen.

Um 16 Uhr geht es weiter. Die Schiffsschrauben erzeugen türkisfarbenene Wirbel, von weißem Schaum eingefasst. Und dabei kommt nicht einmal, wie sonst meistens, eine hellbraune Schmutzbrühe mit ans Licht. Wir drehen uns, so dass wir nicht mehr im Schatten sind, und die gegenüber liegenden Inseln leuchten in der Sonne. Dahinter die mattgrünen Hügel von Albanien. Dann kommen noch die höchsten Berge von Korfu ins Blickfeld, davor das Inselchen Gouvino. Während des Ankerns hatten wir Pthia = Violos vor uns gehabt, und jetzt fahren wir an ihr vorbei. Zwischen ihren Wäldern sind zwei oder drei Gebäude zu sehen, nein, dort muss sich eine ganze Feriensiedlung befinden, zu der von der kleinen Bucht Treppen hinauf führen. - In der Ferne, in Albanien, ist ein größerer Ort zu erkennen.

Mittwoch, 6.11.2002 Santorin = Thira: Heute wurde das Essen, ein großes Büffet mit allem, was das Herz begehrt, vorverlegt, weil wir etwa um 12.30 Uhr in Santorin ankommen sollten, es wurde aber etwas später. Nach 13 Uhr versammelten wir uns für den Busausflug rund um die Insel.

Die langgestreckte Hauptinsel, eine der südlichsten der Kykladen, liegt wie eine Sichel um die kleineren Kameni-Inseln. Die westlichste Insel, Thirassia, schließt die Caldera gegen Westen ab. Diese ist ein ehemaliger Vulkankrater, heute ein von den Inseln umgebener Meeresteil, Bis auf den höchsten Berg sei alles vulkanischen Ursprungs. Die Gesteine bestehen aus rötlichen, braunen und weißen waagrechten Schichten. Letztere sind aus Bimsstein.

Das Tenderboot brachte uns zur Anlegestelle Omos Firon, wo uns ein Bus mit Reiseführer erwartete. Letzterer machte seine Sache sehr gut, nicht zuletzt, weil er Deutsch sprach wie ein Schauspieler. Er sei in Heidelberg aufgewachsen. Über Serpentinen ging es über den Hauptort Fira zu dem hübschen Ia, wo wir ein Schifffahrtsmuseum besuchten. Zur Caldera geht es steile Abhänge hinunter, nach der anderen Seite zu, die weniger steil ist. wachsen auf Terrassen Weinstöcke und verschiedenes Gemüse, das zu dieser Jahreszeit bereits abgeerntet war.

Dann ging es zur Weinprobe, nachdem uns in einem fest gebauten Rundbau, der zu dem Weingut gehörte, eine Diaschau vorgeführt wurde über die Geschichte des Weinbaues in dieser Gegend. Kredenzt wurden uns zwei Sorten Weißwein und eine Sorte Südwein, so süß und dick wie Likör. Dazu Anisbrot, Käse und marinierte Oliven.

Durch Fira, immer wieder mit einem prachtvollen Ausblick auf die Caldera und vorbei an Geschäften, ging es zur Bergstation der Seilbahn. Wer wollte, konnte auch auf einem Esel hinunter reiten auf dem Zick-Zack-Weg mit 600 Stufen, der auf dem obigen Foto zu erkennen ist. Ebenso ist zu erkennen, dass die meisten Häuser blendend weiß gekalkt sind, dazwischen einige in bunten Farben, und alle sehr gepflegt. In Gebieten mit dicken Bimssteinschichten gebe es Höhlenhäuser, von denen wir leider keine zu sehen bekamen.

Donnerstag, 7.11. Rhodos:

Ich schlenderte heute alleine durch die mittelalterliche Altstadt, den Großmeister-Palast und die alten Hafenanlagen. In einem Turm, der gerade restauriert wird, war eine kleine Ausstellung.

Während des Abendessens schwankte das Schiff recht stark, zumindest im Heck-Restaurant, so dass Empfindliche seekrank geworden sein könnten. Vereinzelt steckten in den Geländern auch Spucktüten. Dabei lag die im Fernsehen veröffentlichte Windstärke nur bei 4.

Freitag, 8. 11. Athen: Heute mussten wir früh aufstehen, denn um 8 Uhr startete der Ausflug nach Athen. Wir hatten für 39 € pro Nase gewählt: "Panorama und pittoreske Plaka". Und das war's:

Heute hatten wir vier Stunden

Zeit, Athen auch zu erkunden.

Davon sind noch abzuzieh'n

für die Busfahrt her und hin

zirka eineinviertel Stunden.

Deshalb haben wir gefunden

- einig sind uns da wir zwei -

dass Logistik war dabei.

Doch war diese gar nicht klasse,

drum Kritik ich hinterlasse

nicht an uns'rer Führerin,

die uns wies auf vieles hin,

sondern an dem ganzen Plan,

den ich gar nicht loben kann!

Akropolis, Stadion:

Wie viel sahen wir davon?

Für ein jed's 20 Minuten

gab es Zeit. Man mußt' sich sputen,

aus dem Bus erst auszusteigen.

Führerin wollte uns zeigen,

wo der günst'ge Standpunkt ist,

von dem man am besten knipst.

Und dann schnell zum Bus hinein:

Alle sollten pünktlich sein!

Lykavitos-Berg gesehen

beiläufig, hier gab's kein Stehen.

Mitten in der Stadt den Bus

jeder dann verlassen muß.

Drei Halbstunden in den Gassen

war'n wir uns selbst überlassen,

konnten bummeln, konnten schau'n,

weit durften wir uns nicht trau'n,

denn zickzack zum Bus zurück

war es noch ein ganzes Stück.

Aus der Nähe gab's zu seh'n

nichts, was ist antik und schön.

Dazu reichte nicht die Zeit,

denn Athen ist groß und weit;

Busparkplatz ist äußerst knapp,

darum holt der Bus nicht ab

Gäste in der Innenstadt,

die viel vorenthalten hat.

Um 13 Uhr sollte das Schiff ablegen. Kurz vorher, als bereits die Gangways abgebaut wurden, rief man durch Lautsprecher noch 4 Personen auf. Für zwei Zuspätkommende musste noch eine Not-Gangway heruntergelassen werden.

Zum ersten Mal konnte ich das Umsteigen des Lotsen um 13.38 OEZ beobachten und fotografieren.

Vor dem Abendessen war die Einladung zum First Club. Im Gegensatz zu Captain's Cocktail nahmen wir daran teil. Hier musste man ja nicht in langer Schlange auf den Händedruck des Kapitäns mit obligatem Foto warten. Ich schätze, dass 40 - 50 Gäste gekommen waren. Es wurde gefragt, wer öfter als 3 Mal, 4 Mal usw. mit Festival gefahren sei. Bei einem Italiener war es die 10. Reise. Vermutlich hat er eine Flasche Sekt als Preis bekommen. Wir hatten unseren First-Club-Empfangs-Sekt zweimal zum Abendessen konsumiert. Hier wurde auch Sekt oder Cocktail kredenzt und Canapés und Gebäck angeboten.

Beim Abendessen fragte ich, ob das Blitzen von Kameras oder durch ein Gewitter verursacht werde. Die Blenden vor den Fenstern des Speisesaals wurden hochgezogen, und damit meine Frage beantwortet: Wir fuhren durch eine Gewitterfront. In so rascher Folge hatte ich es bisher noch nie blitzen gesehen. Zu hören war jedoch kein Donner. Zwar war hier im dritten Deck über dem Wasserspiegel das Rauschen und Rumoren der Heckwelle schon immer stärker gewesen als oben in der Kabine, aber ein Donner hätte dieses normalerweise übertönt. Während des Gewitters rann unter den Öffnungen im Heck, unter dem Geländer, das Regenwasser in breiten Strömen nach innen, und der offene Sitzplatz hinter dem Speisesaal wurde eine einzige Pfütze. Noch während der Mahlzeit wurden die Blitze seltener, und als wir zurück in die Kabine kamen, war das Schauspiel vorbei.

Samstag, 9.11. auf See: Weiße und graue Wolken ziehen über den blauen Himmel und das Meer ist fast schwarz mit weißen Schaumkronen.

Mein ausgeliehenes Buch musste ich zurückbringen und auf diesem Weg ging ich zur Rezeption und bat um 4 Kopien von meiner gereimten Reklamation. Es dauerte etwas länger, bis die Dame zurückkam, so dass ich wusste, sie hatte das Blatt gelesen. Sie riet mir, eine Kopie an den Fragebogen zu hängen, eine warf ich aber sogleich in die Urne, die schon vorbereitet war. Es standen ja mein Name und die Kabinen-Nummer drauf.

Jussi bedauerte, dass im Westen die Gebirgsketten von Italien unseren Weg begleiteten. Darauf meinte ich, dass sie mich auch stören würden, wenn wir noch nie die unendliche Weite des Ozeans genossen hätten. Doch wurden jetzt nach 14 Uhr die Hügel niedriger und das Meer trennte sich mit einer scharfen Linie vom grauen Himmel, der jetzt, weiter zum Zenit zu, tief blau wird, von Wolkenfetzen unterbrochen.

Der Fernseher zeigt unsere Position an: Östlich zwischen Brindisi und Bari.

Im Gegensatz zum Atlantik, bei dessen Überquerung vor einem Jahr, nur ein einziges Frachtschiff unsere Route kreuzte, sind hier in der Adria fern und nah unzählige Schiffe zu beobachten.

Sonntag, 10.11. Abschied: Auf 6 Uhr war der Wecker gestellt, damit wir die Kabine um 8 Uhr verlassen und vorher noch frühstücken konnten.

So, wie wir vor einer Woche in der diesigen Abenddämmerung an Venedig vorbei gefahren waren, so klar zeigte es sich heute im Morgenlicht. Die Paläste und Kirchen präsentierten sich phantastisch.

Am Kai lag Deilmanns "Berlin", auf die wir hinunterschauen konnten. Durch ihre geringeren Ausmaße ist sie wahrscheinlich gemütlicher, die European Vision hat aber sicher auch ihre Vorteile, und hat uns keinen Grund zu Klagen gegeben. Den missglückten Athen-Ausflug kreiden wir dem örtlichen Ausflugsbüro an.

Gegen 1/4 11 Uhr wurden wir zum Verlassen der European Vision aufgerufen und fuhren um 11 Uhr, wieder mit Pinguin, jedoch mit einem bequemeren Doppelstöcker, von Mestre weg. Um 1/2 11 Uhr am Abend waren wir zu Hause.

E-Mail: Edith Graeser



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