Ostsee-Kreuzfahrt mit der Ms Marco Polo

Gesamter Inhalt: Kreuzfahrt Reiseberichte


Gerade zurückgekommen von einer sonnig-warmen (25°-30° C) und windstillen siebentägigen Ostseekreuzfahrt (7.-14.7.2005) auf der Marco Polo, will ich meine persönlichen Eindrücke hier zusammenfassen. Selbstverständlich ist dies meine ganz persönliche Darstellung, andere haben teilweise einen gänzlich anderen Eindruck, aber das sind ­ wie immer - Selbstverständlichkeiten, die ich aber dennoch voranstellen will.

Das erste, was ich auf meinem Bett beim Betreten der Kabine vorfand, war ein veränderter Routenplan für diese Tour. Einer von zwei Seetagen wurde zugunsten der Aufnahme eines weiteren Anlaufhafens Visby/Gotland gestrichen, was ich sehr bedauerte, da ich Seetage bevorzuge und außerdem die Zeit in Gdansk auf 6 Stunden verkürzt wurde. Unsere Tour hatte folgenden Verlauf: Warnemünde-Gdynia(Gdansk)-Visby-Tallinn-Helsinki-Seetag-2 Tage Kopenhagen.

Das Schiff macht schon auf den ersten Blick von außen einen guten, gepflegten Eindruck, anders als bei der Albatros, wo der Rost mir schon beim ersten Anblick im vergangenen Herbst entgegen sprang. Die Farbkombination aus blau und weiß und seine geschwungenen, wohl proportionierten Linien zeigen, dass dies ein Schiff aus den Sechzigern ist. Die zu den Seiten abfallenden Decks verlangen von den Passagieren aber auch unterschiedlich lange Beine, damit man nicht auch dem Gleichgewicht kommt, aber wer hat die schon? Auch beim Shuffleboard sucht die Scheibe immer den Weg zur Bordwand, was durchaus gewöhnungsbedürftig ist. Der zweite Blick betrifft die inneren Qualitäten. Hier trifft man bedingt durch die Totalrenovierung des Schiffs 1993 auf die Moderne der Neunziger Jahre, was mir sehr entgegen kommt. Für mich haben nämlich manch andere Schiffe (Ausnahmen, wie die Albatros, die ich im Ganzen sehr mochte, gibt es sicherlich) aus den Sechzigern bis zu den Achtziger Jahren mit ihren zum Teil alten Mobiliar in den Salons und Kabinen keinen Charme, sondern wirken wie in die Jahre gekommener Altbau. Ich jedenfalls war froh, auf ein Schiff mit modernem Ambiente und einem ruhigen Antrieb gekommen zu sein. Allerdings muss man auch die Nachteile unserer Kosten sparenden Zeit in Kauf nehmen. Man findet leider nur öde, weiße Plastikstühle und ­tische im Außenbereich und viele Plastikliegen, daneben glücklicherweise aber auch noch Teakholzliegen. Als sehr positiv empfinde ich auch, dass sich die Decksflächen hauptsächlich im Heckbereich befinden, dadurch weitgehend windgeschützt sind und eine gute Sicht aufs Wasser bieten. Sehr gegrüßt habe ich auch, dass weite Flächen noch einen Teakholzbelag haben, der leider etwas stark abgenutzt und an zu vielen Stellen schon durch schnöden blauen Kunststoffbelag ersetzt wurde. Vermisst habe ich im Vergleich zu den HAL-, Celebrity-Schiffen und der Albatros eine Observationslounge, die hervorragende Ausblicke aus der Brückenperspektive ermöglicht.

Die Kabinen sind hell und freundlich gestaltet, überhaupt nicht verwohnt, aber für meinen Geschmack entschieden zu klein. Viele Kabinen haben nur zwei Betten, die man nicht zu einem großen vereinen kann, eine Kommode, einen Stuhl und einen Schrank nebst moderner und funktionierender Duschkabine, aber keinen Tisch, kein Sofa und keinen Schreibtisch. Meine Innenkabine hatte nämlich nur eine Größe von 10,5 m², also nichts für klaustrophobe Menschen. Ich war froh, allein in der Kabine sein zu können und glaube, zu zweit hätte ich es keine Woche in ihr ausgehalten, da man sich ständig im Wege gestanden hätte. Meine Tischnachbarn wohnten zu Dritt in einer solchen Kabine und fanden es in Ordnung. So unterschiedlich können die Empfindungen sein, für mich sind 14,5 m² schon zu klein und ich möchte gerne mindestens 17,5 m² in einer Zweierkabine haben. Dafür muss ich aber auf der Marco Polo schon eine Suite buchen. Andere Nachteile in der Kabine sind die extreme Hellhörigkeit und die sehr laute, jedoch gut funktionierende Klimaanlage.

Die Verpflegung ist sehr abwechslungsreich und gut. Man kann zwischen 4 täglich wechselnden Hauptgerichten und drei Standardgerichten wählen und wird von einer sehr aufmerksamen Bedienung, waiter, busboy und Sommelier verwöhnt. Für ein amerikanisches Schiff sind die Preise moderat: Bier $ 2,60 - $ 3,- (im Fünfer-Pack); Wein ab $ 4,25/Glas oder ab $ 18,-/Flasche, Cocktails ab $ 3,75 plus Serviceentgelt. Das corkage fee für mitgebrachten Wein beträgt $ 15,-. Entgegen den von Orient Lines mit den Reiseunterlagen verschickten Kleidungs-empfehlungen gab es auf dieser Reise zwei formale Abende, für die Gesellschaftskleidung erwünscht wurde. Da ich dies vorab nicht wusste, bin ich an diesen Abenden in das gleichfalls sehr empfehlenswerte Büffetrestaurant Raffles gegangen.

Das Entertainmentprogramm ist auf das altersmäßig in die Jahre gekommene Publikum abgestimmt, täglich mehrfach Trivia (Quiz) und Bingo, aber auch Lesungen zu unterschiedlichen Themen. Sehr gut haben mir die Produktion-Shows der Marco Polo Company und das Orchester gefallen, insbesondere ein Querschnitt durch Broadway Shows und Musicals. Da könnte sich auch SeeLive mit seinen Shows für die AIDAs noch etwas abgucken, aber das können nun mal die Amerikaner besser. Vermisst habe ich eine intime Bar, stattdessen gibt es lediglich zwei größere Lounges, die Polo Lounge und den Charleston Club.

Auf diesem Schiff herrscht eine extrem ruhige, stellenweise lautlose Atmosphäre. Selbst das kleine Casino strahlt keine Unruhe aus und wirkt nicht laut und störend, wie oftmals auf großen amerikanischen Schiffen. Das zumeist ältere Publikum geht spätestens nach Beendigung der zweiten Show am Abend zu Bett, viele auch schon nach der ersten Essenssitzung um 20:30 Uhr. Stark frequentiert werden der Card Room und die Bibliothek. Die Disco (ab 23:00 Uhr) könnte ruhig abgeschafft werden und keiner würde sie vermissen. Um 23:30 Uhr mutiert der ganze Dampfer zu einem Geisterschiff, da sich keiner mehr auf den Decks sehen lässt.

Last, but not least, möchte ich die philippinische Crew, die zum Großteil, wie beispielsweise mein Steward Larry oder mein Waiter Virgil schon seit mehr als 10 Jahren an Bord sind. Für sie ist das Schiff Heimat und Familie. Die Animations- und Showteams sind aus Amerika, für den Cruise Director Clint Wells war dies seine erste Woche auf dem Schiff, er kam von der Pride of Aloha.

Fazit: Nach meinen Erfahrungen ist die Marco Polo für alle empfehlenswert, die ein mittelgroßes Schiff suchen, etwas mit dem mehrheitlich amerikanischen, englischen, australischen, kanadischen, neuseeländischen und südafrikanischen Gästen anfangen können und eine preislich günstige Kreuzfahrt (man kann sie als last minute Angebot manchmal schon für 500 Euro für zwei Wochen buchen) ohne viel Schickimicki und Remmidemmi suchen. Von Vorteil kann es auch sein, schon zu dem Kreis der Saga Cruise Berechtigten (+ 50) zu gehören. Auf keinen Fall scheint mir das Schiff für Familien geeignet zu sein. Kinder waren keine an Bord und die 3-4 Teenager müssen sich gelangweilt und sehr verloren unter den 700 Passagieren vorgekommen sein.



E-Mail: Peter Grebe



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